Geschichte
Im 4. Jahrtausend v. Chr. existierte eine jungsteinzeitliche Siedlung im Gewann Hinterweil. Auch in der Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit gab es im Stadtgebiet vereinzelte Besiedlung, wie Scherbenfunde, Grabhügel und Urnengräber belegen. Im 1.–3. Jahrhundert existierte am Nordhang des Goldbergs ein römischer Vicus (Straßendorf), daneben standen über die Gemarkung verteilt kleinere Gutshöfe. Bald nach dem Fall des Limes 260 n. Chr. siedelten sich hier die Alamannen an, die auf der heutigen Sindelfinger Kerngemarkung die drei Dörfer Sindelfingen, Altingen und Bochtelfingen gründeten. Seit etwa 700 stand im Bereich eines älteren Herrenhofes von Vorfahren der späteren Grafen von Calw ein Vorgängerbau der heutigen Martinskirche mit Friedhof. In der fränkischen Zeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert war Sindelfingen der Mittelpunkt einer fränkischen Grafschaft, die den späteren Grafen von Calw, einer der bedeutendsten Adelsfamilien im heutigen Baden- Württemberg, unterstand. Nach den im 13. Jahrhundert verfassten Sindelfinger Annalen gründete Graf Adalbert (II.) Atzinbart etwa 1050 in seinem Sindelfinger Stammsitz ein Benediktinerdoppelkloster für Mönche und Nonnen, das er bald darauf nach Hirsau in das von ihm wiederaufgebaute Aureliuskloster verlegte, aus dem das weltberühmte Reformkloster Hirsau hervorging. Stattdessen gründete er um 1065 in Sindelfingen ein Chorherrenstift, das 1155 als „praepositura in Sindelvinga“ erstmals urkundlich erwähnt wurde. Für dessen Bau brach er seinen Stammsitz mit der älteren Martinskirche ab und verlegte seinen Sitz nach Calw. Dort baute er eine neue Herrenburg und erschloss sich durch Rodungsarbeit ein geschlossenes Machtterritorium. Der Bau der neuen Martinskirche in Sindelfingen schritt nur langsam voran; 1100 wurde die Krypta geweiht, doch die eigentliche Kirche wurde erst 1132 von den Welfen fertiggestellt, die in Sindelfingen eine Münzstätte einrichteten.
Das Sindelfinger Chorherrenstift wurde in den nächsten Jahrhunderten durch weitere Stiftungen reich und bedeutend, geriet aber 1351 unter die Landesherrschaft der Grafen und späteren Herzöge von Württemberg. 1476 wurde von diesen in Tübingen ein neues Stift gegründet, dessen Besitz den finanziellen Grundstock für die berühmte Eberhard-Karl Universität bildete. Dieses neue Stift erhielt den größten Teil des alten Sindelfinger Stiftsbesitzes. Die Sindelfinger Chorherren wurden die ersten Professoren und der Propst Johannes Degen deren erster Kanzler. Aus den Besitzresten wurde in Sindelfingen das nachfolgende Augustiner-Choherrenstift gegründet, das 1535 im Rahmen der Reformation durch die Herzöge von Württemberg endgültig aufgelöst wurde.
Um 1130 kam das Dorf Sindelfingen durch Uta von Schauenburg, die Erbtochter Graf Gottfrieds von Calw und Gemahlin Herzog Welfs, mit seinem Nachbardorf Böblingen in den Besitz der Welfen. Im darauffolgenden Erbstreit wurde das Dorf Sindelfingen 1133 von Utas Vetter Adalbert IV. von Calw niedergebrannt. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bestand in Sindelfingen eine welfische Münzstätte; ein Topf mit zahlreichen Silberbrakteaten aus dieser Werkstatt wurde 1973 im Boden der Martinskirche vergraben entdeckt. Der Besitzübergang an die Pfalzgrafen von Tübingen ist nicht völlig geklärt; er dürfte über den Kauf der Besitzungen Welf V. durch Kaiser Friedrich Barbarossa und eine nachfolgende Belehnung an die Tübinger Pfalzgrafen erfolgt sein. Im Rahmen von Erbteilungen kamen die Dörfer der Sindelfinger Gemarkung in den Besitz des Grafen Rudolf der Scherer von Tübingen-Herrenberg, das Dorf Böblingen an seinen Vetter, der dort ca. 1250 eine Stadt gründete. Als Reaktion erfolgte 1263 die Gründung der Stadt Sindelfingen zwischen Stiftsbezirk und Dorf Sindelfingen durch den Grafen Rudolf der Scherer; die Dörfer Sindelfingen, Altingen und Bochtelfingen gingen später in der neuen Stadt auf. Schon bevor die Stadtmauer fertiggestellt worden war, griffen die Böblinger die Stadt Sindelfingen an. Seit damals bestand eine ausgeprägte Rivalität zwischen den beiden Nachbarstädten. 1351 wurde die Stadt an Württemberg verkauft. Die neuen Herren führten 1535 die Reformation ein. Sindelfingen blieb aber lange Zeit ein unbedeutendes Landstädtchen, das sich nie damit abfinden konnte, im Rahmen des Herzogtums Württemberg zum Oberamt Böblingen zu gehören und der Nachbarstadt untergeordnet zu sein. 1607 erreichten die Bürger Sindelfingens durch eine außerordentliche Steuerzahlung an den Herzog endlich, aus diesem Oberamt herausgelöst zu werden und eine von Böblingen unabhängige Amtsstadt ohne eigene Amtsorte zu werden. Dieses Privileg wurde ihnen dann im 18. Jahrhundert wieder genommen.
Im 19. Jahrhundert wurden mechanische Webereien eingeführt, und Sindelfingen wurde eine bedeutende Weberstadt. Aus dieser Zeit stammt die in Sindelfingen beheimatete Weberfachschule. 1850 hatte Sindelfingen 4304 evangelische und 6 katholische Einwohner, die in 461 Haupt- und 203 Nebengebäuden lebten und arbeiteten.
Im Rahmen des Eisenbahnbaus von Stuttgart nach Böblingen zahlten die Sindelfinger Bürger wieder selbst dafür, dass die Bahnlinie über Sindelfingen mit einem eigenen Bahnhof verlaufen sollte. Nachdem die Zahlungen in Stuttgart eingegangen waren, wurde der Streckenverlauf wieder Richtung Böblingen verlegt, ohne Sindelfingen zu berühren. All diese Ereignisse vertieften die traditionelle Feindschaft zwischen den Städten Sindelfingen und Böblingen.
Im 20. Jahrhundert erfolgte eine bedeutende Industrialisierung. Es wurden Maschinenfabriken sowie Industrien für Autos, Büromaschinen, Schuhe, Uhren und anderes errichtet. 1914 wurde das Daimler-Werk in Sindelfingen angesiedelt. Auch die DEHOMAG, eine Büromaschinenfabrik, die den Vorgänger des Computers produzierte und 1929 durch IBM aufgekauft wurde, hatte in Sindelfingen ihren Sitz.
Wilhelm Friedle, bis 1935 Betriebsdirektor der Daimler-Benz AG im Werk Sindelfingen, brachte das Fließband nach Deutschland. Sindelfingen wuchs zu einer bedeutenden Industriestadt heran. Daher wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg verhältnismäßig stark zerstört, danach jedoch wieder aufgebaut. Der starke Einwohnerzuwachs führte zum Bau zahlreicher Wohnsiedlungen. Die Stadt, deren Einwohnerzahl nach Kriegsende bei ca. 8500 lag, überschritt 1957 die Grenze von 20.000. Daraufhin stellte die Stadtverwaltung den Antrag auf Erhebung zur Großen Kreisstadt, dem die Landesregierung von Baden-Württemberg dann mit Wirkung vom 1. Februar 1962 zustimmte.
Bei der Gebietsreform 1971 erreichte das Stadtgebiet schließlich seine heutige Ausdehnung. Von der Landesregierung Baden-Württemberg war seinerzeit eine Fusion mit der Nachbarstadt Böblingen zur Großstadt Böblingen-Sindelfingen vorgesehen und sogar schon beschlossen worden. Aber vor Inkrafttreten der neuen Rechtsbestimmung erreichte der geschlossene Widerstand der Bürger beider Städte, der seine Kraft aus der jahrhundertelangen Feindschaft beider Städte bezog, dass dieser Plan nicht umgesetzt werden konnte. Witzigerweise waren sich dabei die Bürger beider Städte erstmals seit langer Zeit einig. Ein nicht zu lösender Streitpunkt war dabei der neue gemeinsame Name der neuen Doppelstadt.
1990 war Sindelfingen Gastgeber der zehnten Landesgartenschau Baden-Württemberg (in der Nachbarstadt Böblingen fand diese Veranstaltung 1996 statt).
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